Rhein-Reuss-Rhone Pilgerweg: zwischen Saillon und Saint-Maurice

Tag 15: zwischen Saillon und Martigny (Saillon bis Fully) Mittwoch, 27. Juli 2022, ca. 3 1/4 h, ca. 11,8 km, ⇑ 351 m ⇓ 358 m

Wie ist es, wenn man am frühen Morgen ungewollt ein fremdes Schlafzimmer betritt? Schon etwas ungewöhnlich.

Das war ja auch wirklich nicht meine Absicht, als ich im alten Dorfteil von Saillon hinter der Kirche den Weg hinauf zur Ruine nahm. Zwar sah ich unten das Schild „ Null Stern Hotel“ gab dem aber keine Beachtung.

Ich bemerkte weiter oben eine Holzplattform mit weisser Plane, Baumaterial, dachte ich zuerst, sah dann die Hose mit Gürtel liegen. Also schaute ich genauer hin, und siehe da, es stand tatsächlich ein Freiluftbett mit schlafenden Gästen dort 😊. Zumindest nahm ich an, dass sie den unerwarteten Eindringling in ihr Schlafzimmer nicht wahrnahmen.

Bestimmt finde ich noch einen Weg, der mich wieder hinunter bringt. Den gibts auch, über einen Felsen. Dank den angebrachten Ketten und Stahlstützen und im Rückwärtsgang schaffte ich es gut hinunter. Es wäre mir zu peinlich gewesen, nochmals ungebeten mitten durch’s Schlafzimmer zu laufen.

Saillon, Burg und historischer Dorfteil

Das gewählte Stück Weg von Saillon bis Fully, empfand ich als äusserst angenehm und abwechslungsreich. Wenig Hartbelag, abgesehen von einem längeren Stück entlang dem Kanal. Immer wieder geht es kurz durch ein Waldstück und zwischen Rebstöcken hindurch.

Je näher Martigny kommt, je besser ist die Route markiert und es gibt sogar Bänke. Solche fand ich in den letzten Tagen entlang dem Chemin de Vinoble nie.

Gegen Mittag traf ich in Fully ein und war froh, das restliche Stück noch fahren zu dürfen.

Den Nachmittag nutzte ich um Martigny zu besichtigen. Zu den Kulturgütern von nationaler Bedeutung gehört die Ruine des Château de la Bâtiaz, das einzig erhaltene mittelalterliche Bauwerk. Der Aufstieg lohnt sich schon für den guten Rundblick, den man von oben hat.

Der Rundturm des Château de la Bâtiaz in Martigny

Im Hotel de la Poste verbrachte ich die Nacht. Am folgenden Morgen stand mir die letzte Etappe des Pilgerweges von Disentis bis St.Maurice bevor.

Tag 16: zwischen Martigny und St. Maurice, Donnerstag, 28. Juli 2022, ca. 3h, ca. 12,3 km, ⇑ 165 m ⇓ 209 m (ohne Aufstieg zur Einsiedelei und Grotte)

„es führen viele Wege nach Rom“ und in der Tat, ist es gut möglich, dass Wanderer, die einem zwischen Martigny und St. Maurice entgegenkommen, sich auf dem Weg nach Rom befinden. Ab Martigny läuft man entlang der Route Nr. 70, der Via Francigena. Somit hat das ständige Suchen nach dem richtigen Weg ein Ende, denn diese Route ist bestens ausgeschildert.

Ein paarmal kamen mir auch jüngere Wanderer mit grossen Rucksäcken zügigen Schrittes entgegen.

Nochmals kürzte ich die Tagesetappe, damit mir in St. Maurice genug Zeit für Besichtigungen blieb. So nahm ich den Zug nach Vernayaz MC, das ist direkt bei der Trient Schlucht. Der Zugang zur Schlucht war so früh am Morgen noch geschlossen. Ich konnte die Schlucht erst am nächsten Tag auf dem Rückweg besichtigen.

Nach einem kurzen Stück durch den Wald trifft man auf den imposanten Salanfe-Wasserfall.

Salanfe-Wasserfall heute Pissevache genannt

Tosend und schäumend soll das Wasser einst in die Tiefe gestürzt sein bevor der Bau eines Stauwehrs weiter oben den Durchfluss stark drosselte. Damals bildete der Wasserfall an der Salanfe eine weitere touristische Attraktion auf dem Weg ins Mont Blanc Gebiet. Heute ist der Wassefall unter dem Namen Pissevache (Kuhpisse) besser bekannt.

Nach einem sehr schönen weiteren Wegabschnitt kommt man nach Vérolliez mit der Märtyrerkapelle. Dort sollen nach lolalen Überlieferung, Mauritius und seine Gefährten hingerichtet worden sein.

Mauritius, römischer Heerführer, Märtyrer und Heiliger. Der Legende nach soll sich die aus Theben Ägypten stammende und aus Christen bestehende Legion dem Befehl des römischen Kaisers der Christenverfolgung widersetzt haben.

Mauritius gilt seit dem 4. Jahrhundert als Heiliger in der katholischen wie auch der orthodoxen Kirche.

In der Abtei von Saint-Maurice erfährt man via Audioguide und Infotafeln noch viel mehr. Ich fand den Besuch der Abtei eine der inteessantesten Besichtigungen der Pilgerwanderung.

St-Maurice hat aber noch mehr zu bieten. Gleich beim Eintreffen fällt die wie ein Schwalbennest 90 Meter über der Stadt in den Fels gehauene Einsiedelei Notre-Dame du Scex auf. Etwa fünfhundert Treppenstufen führen hinauf.

Als erstes nach meiner Ankunft stieg ich zur Einsiedelei hoch, da kommt man zwar recht ins Schwitzen, doch sind die Treppenstufen abwechselnd an der Sonne und im Schatten.

Am anderen Ende der Stadt und nach einem weiteren Aufstieg kommt man zur Grotte aux Fées der ersten für Touristen öffentlich zugänglichen Grotte der Schweiz.

In der Grotte ist es angenehm kühl. Zu meinem Erstaunen befanden sich an jenem Nachmittag nur ganz wenige Besucher in der Grotte. Es dauerte für mich eine gefühlte Ewigkeit bis ich zuhinterst beim See angelangt bin.

Der Besuch der Abtei bildete der krönende Abschluss des Tages wie auch meiner Pilgerwanderung. Ich war sehr froh, dass ich schon vor dem Mittag in St-Maurice eingetroffen bin und mir so der ganze Nachmittag zur Verfügung stand.

Unweit der Abtei bietet die Hotellerie Franciscaine preiswerte Unterkunft an für Besucher, die Gastlichkeit und Einfachheit schätzen. Für die Übernachtung in einem einfachen Zimmer mit Dusche und WC zusammen mit Abendessen und Frühstück bezahlte ich 92.- Franken.

Und so endet meine Pilgerwanderung, zu der ich am 6. Juli in Disentis aufgebrochen bin. Dabei lernte ich Regionen kennen, die ich gerne nochmals besuchen möchte.

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