Chur (Wald und Fegefeuer)
Mittwoch, 15. Mai 2019 ca. 3,5-4h, 11km, ca. ⇑ 800m ⇓ 585m
Nun weiss ich auch über das Privileg der verstorbenen Churer Übeltäter Bescheid, sie kommen in die nur ihnen vorbehaltene Sonderhölle im Scaläratobel.
Die Voraussetzungen für einen Wandertag in Graubünden waren für diesen Mittwoch eigentlich nicht gegeben. Das Wetter zeigte sich recht kühl und da ich in den letzten Wochen kaum zum Laufen kam, fühlte ich mich auch nicht besonders fit. Nach Graubünden fahre ich sonst immer nur dann, wenn ich bereit für eine etwas ausgiebigere Wanderung bin. Nur um für etwa drei Stunden zu wandern fahre ich normalerweise nicht so weit weg. Dank den Spartickets der SBB kommt mir eine Reise nach Graubünden zurzeit günstiger als ein Ausflug ins nahe Glarnerland.
Die Alpenstadt Chur ist Ausgangspunkt oder Etappenziel einiger beliebter Weitwanderwege. Auswärtige kennen zwar den Brambrüesch mit dem Dreibündenstein, und obwohl ich es dort oben wirklich ganz toll finde, ist dies bei weitem nicht alles, was Chur so zu bieten hätte. Doch sind Infos oder Wandervorschläge spärlich vorhanden, entweder ist nicht erwähnenswert, was nicht Weltkulturerbe ist, oder aber sie bleiben dort lieber unter sich und sind deshalb zurückhaltend mit Berichten im Netz. Das könnte sich ändern, ich habe soeben entschieden, für dieses Jahr Chur als mein Wandermittelpunkt zu wählen und werde über meine Entdeckungen laufend berichten.
An jenem Tag brachte mich der rote Churer Bus in wenigen Minuten an den Stadtrand. Beim Erlengut führt ein steiler Kiesweg zum Wald hinauf. Beim Balzersgut angelangt, lief ich nicht nach links, sondern geradeaus weiter. Oben, bei der Lichtung mit der Blockhütte, die als Waldschulzimmer dient, trafen die beiden Wege wieder aufeinander. Ich genoss für einen kurzen Moment den Ausblick über die Stadt. Zum Glück habe ich heute Thermowäsche angezogen, es war recht frisch.
Etwas später ging es leicht abwärts zum Fürstenwald, dem Naherholungsgebiet der Churer. Hier traf ich Jogger und Spaziergänger an. Danach wird der Weg wieder wilder, ich folgte dem Wegweiser nach Trimmis, wollte aber noch einen Abstecher ins unzugängliche Scaläratobel machen. Auf der Karte sah ich, dass kurz vor dem Schwemmgebiet, wo die Scalära-/ und die Maschänser-Rüfi zusammentreffen, ein Fahrweg abzweigt. Diesem folgte ich, denn er schien in die Richtung der Scalära zu führen. Irgendwann war der Fahrweg dann zu Ende, in einer Waldlichtung steht eine Blockhütte. Ich befinde mich hier in einem Wildschutzgebiet. Ein Trampelpfad führt weiter an der alten Schutzmauer entlang. Diesem konnte ich noch etwa einen Kilometer folgen, bis dann kein Weiterkommen mehr möglich war. Ob die Verwüstung des Bachbettes vom Bergsturz vor einem Jahr stammte oder aus früheren Murgängen, kann ich nicht sagen. Wieder zurück bei der Hütte wagte ich es, dem Trampelpfad entlang abwärts zu laufen, gemäss Karte sollte ich dann wieder auf den Wanderweg treffen. Der Trampelpfad führte später in den Wald hinein zu einer weiteren Hütte, wieder zum Ufer und dann auf einen breiten Waldweg, der wieder auf den offiziellen Wanderweg traf.


Nun kam ich zum Delta und musste den Wegverlauf suchen, Markierungen waren zwar vorhanden, doch war hier zugleich eine Weggabelung und was wohin führte, war schlecht auszumachen und ein Durchkommen ebenfalls etwas erschwert. Ursprünglich wollte ich noch zur Burgruine Ober Ruchenberg hinauf, liess es dann aber bleiben. Denn als ich es endlich geschafft hatte, eine gute Passage zu finden, um unbeschadet Geröllhalde und den Bach zu überqueren, war ich auf der Seite, die nach Trimmis weiterführte angelangt. Etwas später stellte ich dann fest, dass ich mich hätte abwärts halten sollen, mein Weg steigt wieder an und ist nicht der offizielle Wanderweg. Doch gibt es hier so viele Wege und Pfade ohne Wanderweg Markierungen und dank der Schweiz Mobil App und dem Netzempfang ist es auch kein Problem sich zu orientieren denn früher oder später führen die Wege wieder zusammen. Umgestürzte Bäume zwangen mich auf Knien unten durchzukriechen doch ansonsten verlief mein Tag ohne heikle Passagen. Mir gefiel es in dem recht wilden und naturbelassenen Wald mit seinen speziellen Gerüchen sehr gut. Zur Mittagspause ruhte ich mich auf liegenden Baumstämmen aus und genoss die friedliche Stimmung trotz wolkenverhangenem Himmel.
Als ich später wieder auf eine Weggabelung traf, hätte ich dem geteerten Fahrweg entlang nach Trimmis hinunterlaufen können, was ich ursprünglich so vorhatte. Doch ich entschied mich um und lief aufwärts nach Talein, der Sommerweide von Trimmis hoch über dem Rheintal. Die Naturfahrstrasse mit Steinschlagwarnung schlängelte sich der Felswand entlang aufwärts bis ich zur schönen Alpsiedlung auf 902m ü.M. kam. Solche Wegabschnitte gefallen mir besonders gut, sie erinnern an alte Verkehrswege. Nun war es nicht mehr weit bis ans Ziel meiner heutigen Tour und bis ich den Bus nehmen konnte, ich musste nur noch zum anderen Hang hinüber gelangen. Vorher ging es nochmals hinunter, denn die Valtur musste noch überquert werden, zum Glück hatte die heute nicht so viel Wasser, denn die Holzbrücke lag zerbrochen daneben und die Hilfsbrücke, bestehend aus einem Brett, lag weiter unten, jedoch auf der anderen Seite. Meine neuen Wanderschuhe mussten beweisen, dass sie wasserdicht sind, und das sind sie. Dank Wanderstöcken konnte ich gut über die nassen Steine balancieren. Danach ging es in ein paar Kehren den Hang wieder hoch, das war noch eine kleine Herausforderung zum Schluss. Ich kam an einer Weide mit behornten Kühen vorbei, die mich begrüssen kamen. Gemäss Fahrplan verkehrt hier ein Kleinbus ab Says, doch fand ich die Haltestelle Valtana nicht. So lief ich noch 400m weiter nach oben und dort fand ich die Haltestelle Untersays mit einer offiziellen Tafel dann auch gut.
Wenig später kam der leere Kleinbus angefahren und nahm mich hinunter ins Tal nach Trimmis, wo ich auf den Churer Bus umstieg. Vom Warten wurde mir recht kalt, so dass ich, in Chur angekommen, direkt ins Café Maron lief und mich bei Kaffee und Kuchen wieder aufwärmte. Gestärkt machte ich mich noch auf den Weg in die Altstadt, bis mein Zug fuhr, blieb noch etwas Zeit. Ich wollte noch die drei schlimmen Gesellen, die in einem Brunnen verewigt waren, fotografieren.

Aus Wikipedia: Der Name Scalära lässt sich herleiten aus dem Rätoromanischen scala / stgala (Treppe) und aria (Luft, Himmel); bedeutet also etwa «Himmelsleiter». Die Bezeichnung bezieht sich wohl auf die beiden treppenartig aufsteigenden Höhenzüge, die Rote Platte und den Hochgang, die das Tobel auf beiden Seiten begrenzen.
Den Sagen und Mythen in Graubünden hat Radio Südostschweiz im Sommer 2017 eine Serie gewidmet, die werde ich mir noch anhören. Nur durch Zufall beim Stöbern im Netz bin ich auf die Sage der Scaläraschlucht gestossen. (wer sich die Sage noch nicht angehört hat, hier nochmals der Link dazu)
Ich weiss, dass es noch viele Orte, mit mythischen Kräften, oft Quellen oder Wasserläufe, in Graubünden gibt. Manchmal auch behaftet mit Legenden die noch aus der vorchristlichen Zeit stammen. Spannend, was es noch alles zu erkunden gibt.
Links:
Wanderung von Trimmis nach Talein und Valtana
NZZ Sonderhölle für Churer Ortsbürger